MarkusTreff 21.5.19
In seinem Vortrag „Die Johanniter – Tradition und Innovation“ spannte Pfarrer Jörg Fröhlich einen Bogen über mehr als 900 Jahre Geschichte, von den Anfängen im Jerusalem im Zusammenhang des 1. Kreuzzuges bis zum Engagement der Johanniter heute, speziell in unserer Region. Interessant eingewoben war die Entstehung und Bedeutung der Johanniter Komturei in Nieder-Weisel, einer Niederlassung der Johanniter, die um 1200 gegründet wurde und mit dem Bau der Komturkirche sichtbares Zeugnis von der Anwesenheit der Johanniter gab.
Zu diesem Zeitpunkt war das zentrale Hospital der Johanniter in Jerusalem längst etabliert und die Johanniter selbst als „Ritterlicher Orden St. Johannis vom Spital zu Jerusalem“ offiziell anerkannt. Die allesamt adligen Ordensmitglieder verpflichteten sich zu zweierlei: den christlichen Glauben zu bewahren und sich um Arme und Bedürftige zu kümmern. Ritter, die sich verdient gemacht hatten, bekamen in ihrer europäischen Heimat ein Stück Land anvertraut. Sie durften es verwalten mit dem Ziel, aus der Bewirtschaftung Überschüsse zu erzielen, mit denen das Hospital in Jerusalem finanziert wurde. Mit einer Landschenkung der Herren von Münzenberg zum Beispiel wurde die Komturei Nieder-Weisel gegründet.
Das zentrale Hospital der Johanniter wurde mehrfach verlegt: von Jerusalem über Akkon, Zypern und Rhodos nach Malta. Napoleon Bonaparte beendete die Zeit der Johanniter auf Malta, in der sie sich häufig schon selbst „Malteser“ nannten. Napoleon war es auch, der vor 200 Jahren in Deutschland tiefgreifende politische Veränderungen provozierte. In deren Zusammenhang wurde der deutsche Zweig des Johanniterordens aufgelöst und im Zuge der Säkularisierung wurden alle Johanniter Komtureien in Deutschland wie alle Klöster verstaatlicht und bekamen neue Besitzer. Das betraf auch die Komturei Nieder-Weisel. Sie wurde als großer Bauernhof durch einen reichen Kaufmann aus Frankfurt weitergeführt.
Es ist dem preußischen Königshaus zu verdanken, dass der Johanniterorden Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland wiederbelebt wurde. Dieser neue Johanniterorden, zu dem jetzt ausschließlich evangelische Adlige im deutschen Sprachraum gehören durften, konzentrierte sich auf zwei Handlungsfelder: die Organisation und Weiterentwicklung des militärischen Sanitätsdienstes und die Errichtung von vielen evangelischen Johanniter Krankenhäusern in ganz Deutschland. Eines davon war das von Nieder-Weisel, das zwischen 1869 und 1973 die Bevölkerung der nördlichen Wetterau versorgte. Katholische Adlige orientierten sich übrigens nach Rom, wo der Orden nach der Vertreibung von Malta eine neue Heimat gefunden hatte. Der katholische Ritterorden nannte sich nun „Die Malteser“. Er verwendet wie die evangelischen Johanniter das achtspitzige Kreuz als sein Markenzeichen.
Die Ablösung der Monarchie in Deutschland durch die Weimarer Republik 1918/19 war ein kritischer Moment für den Orden. Welche Rolle sollte eine Organisation, der ausschließlich Adlige angehörten, in einer Republik spielen? Es gab keine Privilegien für den Adelsstand mehr, die schützende Hand des preußischen Kaiserhauses war nicht mehr da. Auch die Zeit des Nationalsozialismus war kompliziert. Bedeutsam ist, dass sich eine Gruppe von Ordensmitgliedern auch aufgrund seiner christlichen Überzeugung aktiv im Widerstand gegen das Nazi-Regime engagierte und nach dem missglückten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 seinen Einsatz mit dem Leben bezahlen musste.
1948 erhielt der Johanniterorden die Erlaubnis, wieder aktiv sein zu dürfen. Bemerkenswert aus dieser Zeit sind zwei Entscheidungen: zum einen wurde die Mitgliedschaft im Orden auch für nicht-adlige, bürgerliche Männer möglich. Zum andern wurde 1952 die Johanniter Unfall-Hilfe gegründet. Dies ist als deutliches Zeichen zu verstehen, auf der Grundlage des Johanniter-Leitsatzes „Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst“ in der modernen Nachkriegsgesellschaft mit einer breiten Palette von Angeboten innovativ und professionell auf dem Gesundheitsmarkt präsent zu sein. Rettungsdienst, Erste-Hilfe-Ausbildung und Katastrophenschutz waren der Anfang, heute sind die Dienstleistungen vielfältigst. Zum Beispiel ist die JUH bundesweit mittlerweile Trägerin von mehr als 400 Kitas.
Auch im stationären Bereich sind die Johanniter gut aufgestellt. Mit etwa 100 Altenpflegeeinrichtungen in Deutschland sind die Johanniter der größte frei-gemeinnützige Träger. Das Johanniterstift in Buseck und in Karben repräsentieren das in unserer Region. Johanniter Krankenhäuser finden sich heute in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Brandenburg.
Womit wir wieder in Nieder-Weisel wären, dem ehemaligen Standort eines Johanniter Krankenhauses. Die heutige Bedeutung von Nieder-Weisel für die Johanniter wird Pfarrer Fröhlich bei einer Exkursion des Markus-Treffs in die Komturei nach Nieder-Weisel im September erörtern.
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