Kugelhausbibliothek

Geschichtliches: Als im Jahre 1468 die Brüder vom gemeinsamen Leben, nach ihrer Kopfbedeckung auch „Kugelherren“ genannt, in ihr neu errichtetes Fraterherrenstift St. Markus einzogen, errichteten sie auch bald danach neben der Markuskirche einen Bibliotheksneubau für ihre schnell wachsende Studienbibliothek. Unter der Leitung des gelehrten Fraterherren Gabriel Biel, vormals Mainzer Domprediger und späterer Tübinger Universitätsrektor, entstand in Butzbach eine überregional bedeutende spätmittelalterliche Stiftsbibliothek, in die neben theologischen Werken auch wichtige Grammatiken und pädogogische Handschriften aufgenommen wurden.

Als im August 1555 das Kugelherrenstift zu St. Markus in Butzbach aufhörte zu existieren, blieben auf Anordnung des Landesherren die Ländereien erhalten. Während der Buchbesitz der meisten aufgelösten Klöster damals in alle Himmelsrichtungen verstreut wurde, blieb bemerkenswerterweise auch die Butzbacher Kugelhausbibliothek geschlossen beisammen und wurde teilweise für Schulzwecke weiter benutzt.

Erst im Jahre 1771 mußten auf Befehl des Landesherren 205 mittelalterliche Handschriften (meist aus dem 15. Jahrhundert) und 308 Inkunabeln an die Universität Gießen abgegeben werden. (Vor dem Jahr 1500 erschienen weltweit insgesamt nur ca. 27.000 Wiegendrucke oder Inkunabeln im Druck, von denen allein aus Butzbacher Beständen sogar noch mehr als 1,1 % in Gießen erhalten sind). Dabei stellte sich beispielsweise heraus, dass ein Butzbacher Band aus dem Jahre 1450 auf genau jener Mainzer Papiersorte geschrieben ist, auf der auch die weltberühmte Gutenbergbibel vom Jahre 1454/55 gedruckt wurde.

Im Jahre 1951 gab der Butzbacher Kirchenvorstand 365 Bände der Drucke der Kugelhausbibliothek aus dem 16. und 17. Jahrhundert per Dauerleihvertrag an das Predigerseminar Friedberg ab, von wo sie mit Zustimmung des Kirchenvorstandes im Jahre 2001 unter Eigentumsvorbehalt dem Theologischen Seminar in Herborn anvertraut wurden. Unter diesen kirchenhistorisch immer noch kostbaren Werken sind immerhin noch 12 Bände aus der Zeit der Kugelherren erhalten. Darunter beispielsweise eine im Jahre 1545 noch zu Lebzeiten von Luther in Wittenberg herausgegebene Schrift und ein Buch aus dem Jahre 1530 mit Randbemerkungen mit reformatorischem Gedankengut.